Digitale Kulturvermittlung

Liebe Blog-Nutzer,
hier kommt ein etwas längerer Beitrag zu meinen Erkenntnisse eines Forums zur Digitalen Kulturvermittlung im Rahmen der Tagung Netz macht Kultur Mitte Juni.

Im Rahmen des Kongresses „Netz macht Kultur“ der Kulturpolitischen Gesellschaft am 8. und 9. Juni gab es u.a. ein von mir moderiertes Forum zum Thema „Digitale
Kulturvermittlung durch Museen und Ausstellungen“ In diesem Forum ging es um die Frage, ob und wenn ja mit welchen Mitteln und Strategien das Web 2.0 und andere digitale Medien eine Bereicherung für die Kulturvermittlung von Museen sind bzw. werden könnten.

  • Welche Ziele verfolgen die Institutionen mit ihren Vermittlungsaktionen im Netz?
  • Welche Wirkungen erzielen sie und welche digitalen Vermittlungsmethoden haben sich als
    erfolgreich erwiesen?
  • Bietet das Netz neue Chancen für das Audience Development, weil Museen damit neue, vor allem jüngere Interessenten für ihre Ausstellungen, ob virtuell oder real gewinnen können?
  • Oder lenkt das Netz vom realen Erlebnis mit sinnlich erfahrbaren Objekten ab und verhindert tendenziell, dass Museen ihr Alleinstellungsmerkmal, die authentische Begegnung mit realen Objekten, ausspielen können?

Als Expertinnen waren eingeladen:
Sybille Lichtensteiger, Geschäftsführerin des Stapferhauses Lenzburg in der Schweiz, ein Kulturzentrum, das seit vielen Jahren zu übergreifenden gesellschaftlichen Themen
eigene Ausstellungsinhalte erarbeitet und mit sehr innovativen ausstellungsdidaktischen und ästhetischen Formaten umsetzt. Aktuell präsentiert das Stapferhaus die Ausstellung „Home. Willkommen im digitalen Leben“ – eine Ausstellung darüber, wie die Digitalisierung unsere Leben und unsere sozialen Beziehungen verändert, die zwar nicht im Netz präsentiert wird, aber sehr viele digitale Tools verwendet und mit Aktivitäten im Netz verbunden ist.

Dr. Regina Franken-Wendelstorf, Projektkoordinatorin der Forschungsgruppe Informations- und Kommunikationsanwendungen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in
Berlin, die verschiedene digitalen Ausstellungsdidaktiken für das Jüdische Museum in Berlin sowie deren mobile Schülerversion erarbeiten ebenso wie für weitere Museen. Dabei wird in interdisziplinären Teams gearbeitet, wo Informatiker auf Geisteswissenschaftler, Kuratoren und Museumspädagogen treffen. Zukünftige Aufgaben liegen vor allem in der Entwicklung von 3D Ausstellungen sowie von virtuell begehbaren Archiven, um die vielen im realen Raum nie gezeigten Schätze der Archive zu präsentieren.

An sehr konkreten Beispielen wurde in dem Forum darüber diskutiert, ob das Netz eine Bereicherung für Kulturvermittlung im Sinne kultureller Bildung sein kann, weil es eigene Aktivität und Kreativität der Nutzer herausfordert und kulturelle Selbstbildungsprozesse stimuliert oder ob es eher die weitere Zerstreuung fördert statt die Konzentration, die für Bildungsprozesse notwendig ist.

Folgende generellen Potentiale der digitalen Kulturvermittlung wurden auch in den Präsentationen der entwickelten digitalen Vermitttlungs-Tools noch mal deutlich:

  • Unabhängig von Ort und Zeit sind Informationen in unterschiedlicher Differenzierung für jeden frei zugänglich.
  • Es gibt keine Barrieren sozialer, physischer, finanzieller Art.
  • Interaktion statt passiver Rezeption; Konsumenten/Besucher können in die Entwicklung von Inhalten als Produzenten einbezogen werden, Museumsinhalte können gemeinsam
    mit interessierten Besuchern entwickelt werden.
  • Kultur des Netzes ist eine des Selberdenkens, Selbermachens, Ausprobieren, Suchen,
  • Fehlermachen
  • Persönliche Relevanz: Statt interesselosem Vorbeischlendern an Ausstellungsvitrinen eigene Beteiligung und Verknüpfung der individuell gewählten Objekte mit eigenen Ideen

Folgende Strategien wurden deutlich:

Vermeidung von Informations-Overload

Die Anwendung digitaler Medien verursacht tendenziell eine noch größere, nicht vorstrukturierte und letztlich unüberschaubare Menge an Informationen. Der Vorteil digitaler Medien, dass sie dem Nutzer eine große Vielfalt an potentiell abrufbaren Informationen bieten, wird zum Nachteil dergestalt, dass dieser überhaupt keine Orientierung mehr hat, was er auswählen soll aus dem riesigen Menü, denn er ist ja kein Experte für das Thema. Auch beim Einsatz digitaler Medien braucht es also Kultur-Vermittler, die eine Vorauswahl treffen, die evtl. Interessen des individuellen Nutzers vorher abfragen (so geschehen bei der Ausstellung „Home„) und daraufhin individuellere passgenauere Rundgänge und Informationsvemittlungen durch eine Ausstellung
zusammenstellen können.

Zusammenspiel von analogen und digitalen Medien
Die Verbindung von realen, sinnlich erlebbaren Objekten mit virtuellen Anwendungen, in denen sich etwas Neues gestalten lässt oder ein Objekt benutzen und mit der eigenen Person in Verbindung bringen lässt, erwiesen sich in verschiedenen Ausstellungskontexten als wirkungsvoll. So gibt es im Kontext der Ausstellung Home im Stapfehaus das Projekt Home 2.0, wo User im Netz eingeladen werden, Filme zum Thema zu produzieren und auf die Plattform zu stellen, die dann auch in der Ausstellung gezeigt werden.

Für das mobile jüdische Museum wurde eine Anwendung entwickelt, in der man verschiedene religiöse Kopfbedeckungen virtuell auf den eigenen Kopf setzen kann und sich selbst damit in neuen Outfits und Rollen erleben kann. In der Ausstellung über Kosheres Essen konnte man mit einem digitalen „Löffel“ während der Ausstellung Informationen aufladen und damit zu Hause über das Internet Kochrezepte und Hintergrundinformationen dazu abrufen. Über die digitale Anwendung in der Ausstellung konnte das Gesehene vertieft werden und die Besucher wurden über ihre virtuellen Souvenirs dazu angeregt, sich zu Hause noch mal mit den Inhalten des Museums zu beschäftigen. In dem Fall dienen digitale Tools nicht dazu, neue Besucher zu generieren, sondern Besucher zu binden.

Dialogische Kommunikation mit den Besuchern
Interesse entsteht immer dann, wenn Besucher selbst aktiv werden können, so die Beobachtung beide Expertinnen, so wurden etwas die I-pad-Audioguides der Ausstellung „Home“ so gestaltet, dass dort nicht nur Monolog zu hören sind, sondern Fragen an die Besucher gestellt werden, diese über Sachverhalte ihre Meinung äußern und zu bestimmten Problemstellungen abstimmen können.

Teilhabe und Mitbestimmung der Nutzer
Am wirkungsvollsten ist Besucherbindung immer dann, wenn diese tatsächlich auch mitbestimmen können über Inhalte und Präsentationsformen. So bieten die Online-Communities des Städel-Museum in Frankfurt a. M. neben der Möglichkeit, eigene Kunst-Hitlisten anzustellen und sich eine individuelle Ausstellung mit den Städel-Kunstwerken im Netz zu kuratieren, auch die Möglichkeit abzustimmen über Kunstwerke, die in Vermittlungsaktionen und Führungen behandelt werden. Wenn Besucher mehr Einfluss nehmen können auf die Arbeit von Institutionen, erfordert das natürlich auch ein Umdenken der Unternehmenskultur, weil die Professionellen damit Einfluss abgeben und auch mit Entscheidungen leben müssen, die sie selbst nicht optimal finden.

Mein Fazit:
Die für die digitale Kulturvermittlung genannten Prinzipien sind im Wesentlichen Qualitätsprinzipien für Kulturvermittlung generell und jede Art von Kulturvermittlung. Neue mediale Technologien bieten neue Möglichkeiten der Umsetzung – sie sind jedoch nicht per se wirkungsvoller als andere, analoge Medien und Methoden Es geht also nicht unbedingt darum, die Kulturvermittlung zu digitalisieren, sondern eher darum Kulturvermittlung generell einen höheren Stellenwert zu geben und sie zu professionalisieren auch mit Hilfe der digitalen Medien.

Birgit Mandel

Ist das Web 2.0 alles?

Lieber Christoph und liebe anderen,

erst mal bitte ich um Entschuldigung für mein langes Schweigen, was mit extremer beruflicher wie privater Überbelastung in den vergangenen Wochen zu tun hat, aber darüber hinaus für mich auch ein Indikator dafür ist, dass die Nutzung des Web 2.0 für mich keine selbstverständliche Kulturtechnik ist. Zwar beantworte ich täglich immer aktuell gut 100 Emails – das Hauptkommunikationsmedium meiner Generation und meiner Kollegen – ,, Facebook-/ Twitter- Kommunikation und Blog-Kommunikation gehören jedoch noch nicht als kommunikativer Standard dazu.
Das hat auch damit zu tun, dass es sich um ein öffentliches Medium handelt und ich gelernt habe, dass alles was ich veröffentliche, sehr gut durchdacht und von Qualität sein muss, nicht schnell, spontan und zwischendurch geschrieben. Das gleiche Problem herrscht in Kulturinstitutionen bezüglich ihrer Web 2.0 Kommunikation. Alles was unter dem Namen einer öffentlichen Institution veröffentlicht und damit „aktenkundig“ wird im Netz, muss abgesichert sein, um Ärger und Angriffe zu vermeiden. Spontanreaktionen einzelnen Mitarbeiter sind nicht möglich.
Auch ich glaube, Christoph, dass Deine Forderungen an die digitale Infrastruktur-Aufrüstung in den Kulturinstitutionen etwas überzogen sind, weil die digitale Kommunikation zwar eine neue, wertvolle, weil weniger hierarchische Art der Interaktion darstellt, letztlich aber nur eine von vielen Kommunikations- und Vermittlungsweisen ist. Alle anderen Kanäle und Formate laufen weiter und müssen ebenfalls bedient und professionalisiert werden. Zu überlegen ist dennoch, wie der spezifische Mehrwert der dialogischen Kunst- und Kulturvermittlung im Web 2.0 noch stärker herausgestellt werden kann: In welchen Bereichen der Vermittlung bietet das Netz etwas was die anderen Formate nicht schaffen ? Und wie können diese Prozesse der informellen Kulturellen Bildung durch professionelle Kulturvermittler am besten unterstützt werden?
Freue mich über Anregungen von Eurer Seite!
Beste Grüße

Birgit Mandel

Kulturvermittlung und digitale Infrastruktur

Liebe Leser,

heute möchte ich ein weiteres Thema zur Diskussion stellen. In den letzten Beiträgen haben wir einen ersten thematischen Überblick geschaffen. Nun werden wir sicherlich versuchen müssen, die einzelnen Bereiche der Diskussion weiter zu führen. Zudem denke ich, dass es spannend wäre, wenn wir im Rahmen der Diskussion auch zu Ergebnissen, Forderungen oder Vorschlägen für die Gestaltung der Zukunft der Kulturvermittlung kommen würden.

Mit diesem Beitrag möchte ich ein paar Vorschläge zur digitalen Infrastruktur von Kulturinstitutionen entwickeln. Ich habe mich mit diesem Thema im Rahmen des 56. Kulturpolitischen Kolloquiums in Loccum beschäftigt. Dort sollten Birgit Mandel und ich eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema leiten und gestalten. Ich möchte im folgenden ein paar Gedanken aus dieser Arbeit formulieren:

Die Frage nach der digitalen Infrastruktur ist sehr wichtig. Nur bei einer funktionierenden und gut ausgebauten digitalen Infrastruktur sind die Kulturinstitutionen in der Lage, erfolgreiche und nachhaltige Angebote zur Kulturvermittlung im Internet zu entwickeln und zu realisieren. Ich zähle hierzu nicht nur die Hardware in Form von Internetzugängen etc. Vielmehr habe ich in diesem Fall auch den Ausbildungsstand der Mitarbeiter bezüglich Web 2.0 sowie die vorhandenen Arbeits- und Denkstrukturen beleuchtet.

Mir ist wichtig zu erwähnen, dass ich mit meinen Ideen auf keinen Fall behaupten möchte, dass es nicht schon einige spannende Projekte von Kulturinstitutionen im Web 2.0 gibt. Und natürlich gibt es Institutionen, die sehr wohl auf eine sehr gute digitale Infrastruktur zurückgreifen können. Mir ist ebenso bewusst, dass es viele Menschen aus Institutionen oder deren Umfeld gibt, die an dem Thema sehr interessiert sind. Trotzdem möchte ich meine Beobachtungen beschreiben und damit aufzeigen, an welchen Stellen m.E. Probleme vorhanden sind.

1. Technische Ausstattung
Viele Institutionen verfügen anscheinend nicht über eine ausreichende technische Ausstattung. Dazu gehören u.a.:

– veraltete Computersysteme
– zu langsamer Internetzugang
– kein freier Internetzugang
– kein freies WLAN für die Nutzer
– keine Möglichkeit, Add-ons für Browser wie den Firefox runterzuladen bzw. zu installieren

Dies sind aber letztlich die technischen Voraussetzungen, die die Kunden der Institutionen haben und nutzen. Ohne diese Ressourcen ist es schon technisch enorm schwer, ein aktiver Teil des Web 2.0 zu werden.

2. Aus- und Weiterbildung
Viele Institutionen verfügen anscheinend nicht über ausreichend ausgebildete Mitarbeiter im Bereich Social Media. Dies betrifft m.E. sowohl die technischen Kenntnisse z.B. wie erstellt man einen Blog oder einen Twitteraccount, als auch das Verstehen der dahinter stehenden Kultur bzw. Philosophie. (siehe die Erläuterungen in anderen Beiträgen in diesem Blog).

Das Problem betrifft m.E. sowohl die Weiterbildung der bereits vorhandenen als auch die Ausbildung zukünftiger Mitarbeiter.

3. Strukturen und Arbeitsweisen
Eine wesentlich Frage für die vorhandenen Kulturinstitutionen ist die, ob sie mit ihren Strukturen und Arbeitsweisen überhaupt in das sog. Web 2.0 passen. Es reicht natürlich nicht aus, einen Blog oder eine Facebookseite zu haben. Viele dieser Angebote scheitern, weil man nicht verstanden hat, wie man im Web 2.0 kommunizieren bzw. sich verhalten sollte um erfolgreich mit der Community einen Dialog zu beginnen.

Hierzu gehört z.B. der Verlust der Deutungshoheit für Inhalte. Ebenso wichtig ist das Umfeld der Institution. Es gibt viele Kulturinstitutionen, die sehr gerne im Web 2.0 aktiv werden möchten, die aber mit Problemen in ihrem Umfeld zu kämpfen haben. Ein Beispiel: Eine Bibliothek oder ein Museum darf nicht frei entscheiden, über was es im Web 2.0 berichten bzw. kommunizieren möchte. Der Träger möchte hier eine Kontrolle ausüben. Dies könnte z.B. bedeuten, dass eine Institution über bestimmte Themen gar nicht berichten darf, weil dies eine Aufgabe z.B. des Stadtmarketing ist. Es wurden mir auch Fälle berichtet, bei denen alle Beiträge inkl. Twitter vorab genehmigt werden mussten.

Ebenso wichtig ist die Frage, ob die Mitarbeiter der Institutionen frei entscheiden dürfen, was sie im Web 2.0 tun. Natürlich ist es wichtig, eine klare Strategie zu haben und natürlich kann man sich gemeinsam überlegen, in welche Richtung die Onlineaktivitäten gehen sollen. Jedoch sollten m.E. die Mitarbeiter dann in der Lage sein, eigenverantwortlich zu kommunizieren.

4. Mangelnde Ressourcen
Neben der nicht ausreichenden technischen Ausstattung fehlt es vielen Institutionen zudem an weiteren Ressourcen. Das größte Problem ist, dass schon jetzt die Mitarbeiter sehr oft so viele Aufgaben haben, dass das Web 2.0 als weitere zusätzliche Aufgabe nicht bzw. nicht ausreichend bearbeitet werden kann. Dies hat m.E. auch damit zu tun, dass mit dem Beginn der Arbeit im Web 2.0 die anderen Kommunikationskanäle nicht geschlossen werden sollen. Es gibt eine Vielzahl an Kunden von Kulturinstitutionen, die nicht Teil des Web 2.0 sind, und die auf anderen Kanälen mit der jeweiligen Institution kommunizieren möchten. Natürlich dürfen diese Menschen nicht vergessen werden. Klar ist: Die Arbeit im Web 2.0 ist nicht kostenlos. Die Nutzung von Plattformen wie WordPress, Facebook, Twitter etc. mag kostenlos sein – es entstehen aber Kosten für Personal, technische Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung etc.

5. Innovationsmanagement
Neben der Aufgabe, die Kulturinstitution in der Breite zu einem Teil des Web 2.0 werden zu lassen müssen wir m.E. auch darüber nachdenken, wie wir die Institutionen fit für ihre digitale Zukunft machen. Das Web 2.0 wie wir es heute kennen, wird nicht so bleiben. Im Gegenteil: Das moderne Internet entwickelt sich stetig und mit großer Geschwindigkeit weiter. Hinzu kommen optional neue Technologien wie virtuelle Welten oder das mobile Internet. Es wird m.E. in der Zukunft nicht ausreichen, auf Technologien zu reagieren. Vielmehr wird es notwendig sein, diese neuen Angebote aktiv zu gestalten. Deshalb wird ein funktionierendes Innovationsmanagement notwendig sein. Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit den Technologien sondern auch um eventuell notwendige Umgestaltung der Institutionen.

In der Vorbereitung auf das Kolloquium in Loccum wurde ich auch gebeten, ein paar Thesen bezüglich der Frage zu formulieren, was meiner Meinung nach getan werden sollte, damit eine breite Nutzung der Möglichkeiten die sich mit dem Web 2.0 für die Zukunft der Kulturvermittlung ergeben, realisiert wird. Diese Vorschläge möchte ich nun zur Diskussion stellen:

  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten  alle Mitarbeiter in Kulturinstitutionen mit der digitalen Welt vertraut gemacht werden
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollte jede Kulturinstitution kostenloses WLAN für die Kunden anbieten
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Kulturinstitutionen zusammen mit weiteren Partnern Schulungsangebote im Bereich Web 2.0 für Ihre Kunden anbieten
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Institutionen einen eigenen, freien Internetzugang haben
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Studenten im Grundstudium ein Einführungsseminar zur Nutzung der digitalen Welt bekommen
  • Ab dem Jahr 2016 sollten keine neuen Mitarbeiter in öffentlichen Kulturinstitutionen eingestellt werden, die nicht über ein fundiertes Wissen zum Thema „digitale Welt“ verfügen
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Kulturinstitutionen mit aktiven digitalen Angeboten starten.
    • Keine reine PR-/Marketing-Aktivitäten
    • Keine reine Präsentation bzw. kein reines Verfügbarmachen der Inhalte (Beispiel: Buchdigitalisierung)
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten 20% aller digitalen Aktivitäten zusammen mit anderen Gruppen wie z.B. Unternehmen aus der Gamesindustrie entwickelt und realisiert werden
  • In den nächsten 3-5 Jahren sollten mindestens 25% aller Mittel für kulturelle Infrastruktur in die digitale Infrastruktur investiert werden
  • In den nächsten 5 Jahren sollten bundesweit Innovations-Labore für Kultur- und Bildungsinstitutionen entwickelt werden. Diese Labore (mindestens 20) haben u.a. die Aufgabe, Innovationsmanagement zu betreiben.
  • Bis zum Jahr 2014 sollte eine bundesweite Zukunftsstrategie für die Kultur- und Bildungsinstitutionen entwickelt werden, die die Institutionen in die Lage versetzt, auf zukünftige Herausforderungen (Web 3.0, virtuelle Welten etc.) nicht nur zu reagieren sondern diese aktiv zu gestalten.

Einige dieser Vorschläge mögen banal klingen. Sie sind aber das Ergebnis meiner Beobachtungen sowie vieler Gespräche mit Menschen aus unterschiedlichen Institutionen. Mir ist auch bewusst, das einige dieser Vorschläge Geld kosten und teilweise u.a rechtliche Probleme gelöst werden müssen (Beispiel: illegale Nutzung eines offenen WLAN-Netzes). Zudem ist mir klar, dass einige Vorschläge über die Grenzen der Institutionen hinaus wirken, indem sie z.B. auch die Träger und/oder weitere Stakeholder betreffen.

Wir zu Beginn erwähnt möchte ich nicht behaupten, es gäbe keine interessanten und spannenden Projekte im Bereich der Kulturvermittlung im Internet bzw. in der digitalen Welt. Ich bin jedoch der Meinung, dass es aus unterschiedlichen Gründen zu wenig Aktivitäten sind. Die genannten Gründe für diese Situation sind sicherlich nicht die einzigen und ich würde mich freuen, wenn Ihr noch weitere Gründe aufzeigen würdet. Ebenso spannend wäre natürlich Eure Meinung zu meinen Vorschlägen zu erfahren.

Beste Grüße

Christoph Deeg

Vermittlung digitaler Kultur im Web2.0

Liebe Leser,

heute möchte ich ein paar Gedanken zur Vermittlung digitaler Inhalte im Web 2.0 zur Diskussion stellen. Mir geht es dabei um die Frage, wie wir die Inhalte vermitteln, die entweder im Netz erstellt oder im Netz präsentiert zu werden – ohne das es dabei kooperierende Kulturinstitutionen gibt.

Was meine ich konkret?
Nehmen wir das Beispiel Video. Auf Plattformen wir Youtube kann jeder User eigene Videos hochladen und diese damit der gesamten Community zur Verfügung stellen. Der reine technische Zugang ist damit ermöglicht worden. Man kann auf die Videos z.B. via Twitter hinweisen, man kann sie in Webseiten, Blogs und Communitys einbinden etc. Dies wird m.E. bis jetzt nicht von professionellen Kulturvermittlern genutzt bzw. getan. Die Frage die sich mir nun stellt ist die, was dies für die Zukunft der Kulturvermittlung bedeutet?

Schauen wir nun auf die Bibliotheken. Für sie stellt sich die Frage, wie sie mit Inhalten/Informationen/Daten umgehen, die nicht mehr bei ihnen verortet sind. Oder als Frage ausgedrückt: Kann es sein, dass zum Bestand von Bibliotheken letztlich das gesamte Internet gehört? Und wenn ja, wie sollen sie damit umgehen?

Wenn Kulturvermittlung bedeutet, Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Inhalten zusammen zu bringen, brauchen wir dann nicht Kulturvermittler, die dies auch ausschließlich mit dem Internet bzw. mit den Onlineinhalten tun? Oder können das die vorhandenen Institutionen leisten? Oder braucht die Community gar keine Kulturvermittler denn die vorhandenen Strukturen sorgen für eine – vielleicht sogar demokratischere – Verbreitung?

Kulturinstitutionen definieren sich in der Regel über Ihren Bestand (Museen, Archive, Bibliotheken) oder über andere kulturelle Inhalte (Theater, Opernhäuser etc.) Kann es aber Kulturvermittler geben, die selber ohne diese Anbindung existieren und deren Basis letzte nur ein Thema z.B. „Oper online“ ist?

Ich freue mich sehr auf Eure Diskussionsbeiträge

Christoph Deeg

Wo findet Kultur statt und wer bildet Kulturvermittler aus?

Liebe Leser,

wie bereits in einem anderen Post geschrieben, werden Birgit und ich zu bestimmten Themen in der Diskussion neue Artikel schreiben. Dies tun wir, da wir sonst eine unübersichtliche Menge an Kommentaren aber nur sehr wenige Artikel haben. In diesem Artikel beziehe ich mich auf zwei Kommentare von Birgit und einen von Christian Henner-Fehr. Beide erwähnen, dass das Web als solches nicht automatisch dafür sorgt, dass sich Menschen mit verschiedenen kulturellen Inhalten befassen. Es sei eher vergleichbar mit einer Leinwand, die man nun gestalten könne und müsse. Zudem hofft Birgit, dass die Institutionen die Kulturmanager und Kulturvermittler ausbilden, dies auch in der Zukunft tun werden, und dass sie sich dafür an die neuen Aufgabenstellungen anpassen müssen. Ich möchte nun auf beide Punkte eingehen.

Zu 1: Ich kann dem Gedanken, dass das Web vergleichbar mit einer Leinwand ist nur zustimmen. Allerdings würde ich daraus eine Verantwortung der Kulturinstitutionen ableiten, diese Leinwand zusammen mit allen anderen Menschen aktiv zu gestalten. Wenn wir dies akzeptieren bzw. erreichen wollen, dann müssen wir meiner Meinung nach das Web nicht als externe Plattform außerhalb der Kultur und ihrer Institutionen, sondern als festen Teil quasi als virtuelle Erweiterung der Institutionen verstehen. Betrachten wir das Web als Raum, der den physischen Raum der Institution erweitert, ergeben sich neue Möglichkeiten bzw. neue Aufgaben. Es geht dann – wie schon erwähnt – nicht mehr primär darum, durch die Onlineaktivitäten neue Besucher im realen Raum zu generieren. Es geht dann vielmehr darum, Menschen mit den kulturellen Inhalten zusammen zu bringen. Egal ob dies im physischen oder im virtuellen Raum geschieht.

Zudem stellt sich die Frage, ob die Internetnutzer diese strikte Trennung zwischen real und virtuell überhaupt erleben. Ein Beispiel: Ein Museum mag davon ausgehen, dass ein bestimmtes Bild am besten real erlebt werden sollte. Eine virtuelle Kopie könne nie das reale Erlebnis ersetzen. Ich stimme dem gerne zu. Das reale Erlebnis in einem realen Museum kann nicht durch ein virtuelles Erlebnis ersetzt werden. Es ist aber auch umgekehrt so, dass das reale nicht das virtuelle Erlebnis ersetzen kann. Die Aufgabe des Kulturvermittlers in der Zukunft ist es meiner Meinung nach, beides zu ermöglichen bzw. mit beiden Plattformen zu spielen. Es geht also nicht um ein „Entweder oder“ sondern um ein „sowohl als auch“.

Zu 2. Ich hoffe auch, dass die Institutionen, die Kulturvermittler und Kulturmanager ausbilden, dies auch in Zukunft tun. Ich bin allerdings skeptisch, ob die Institutionen den Kulturvermittler 2.0 wollen bzw. darauf vorbereitet sind. Ich habe zudem den Eindruck bzw. die Sorge, dass dieses Thema nicht ernst genommen wird. Ein Grund könnte sein, dass sich hierfür die Bildungsinstitutionen selber ändern müssten. Anders ausgedrückt: die Bildungsinstitutionen sind meiner Meinung nach nicht mit dem Web kompatibel – auch wenn Sie nun Facebookseiten haben oder twittern. Dies soll kein Vorwurf sein und ich behaupte auch nicht, dass hier gar nichts passiert. Aber ich bin der Meinung, das die vorhandenen Aktivitäten nicht ausreichen. Wenn meine Einschätzung richtig ist, haben wir ein sehr großes Problem, denn es werden nun Menschen ausgebildet, die die Kulturvermittlung der nächsten 20-30 Jahre prägen sollen und werden. Es geht dabei gar nicht alleine um die Themen Web 2.0 oder Computergames sondern vielmehr um eine große Zahl weiterer Themen die direkt und indirekt damit zusammenhängen.

Es ergeben sich meiner Meinung nach zwei Fragen:

1. Sind die Bildungsinstitutionen in der Lage und Willens, den Kulturvermittler 2.0 auszubilden?

2. Verfügen die Kulturinstitutionen überhaupt über die notwendige Infrastruktur und wie sollte zudem diese Infrastruktur aussehen?

Beste Grüße

Christoph Deeg

Ich versuche zusammenzufassen

Liebe Alle,

Also, ich versuche mal zusammen zu fassen, was wir bisher diskutiert haben:

Nicht die Technologie Internet macht die neue Kultur des Netzes aus, sondern die Art der Kommunikation, die das Internet ermöglicht: nicht hierarchisch, direkt und dialogisch, viele können mit vielen reden, Aufmerksamkeit schaffen durch die Kraft vieler denen etwas gefällt, die etwas bemerkenswert und relevant finden und darum darüber reden.

Der frühere „alte Typus des (institutionell verorteten) Kulturvermittlers“ hatte/hat die Aufgabe, die Interessen einer bestimmten Institution zu vertreten, für diese positive Aufmerksamkeit zu schaffen (PR), sowie die dort angebotenen künstlerischen und kulturellen Inhalte gemäß des fachspezifischen Kanons und der fachspezifischen Inhalte zu präsentieren und verständlich zu machen mehr oder weniger monologisch und aus der Position des Wissenden an die Unwissenden.

Der „neue Typus des Kulturvermittlers“ der v.a. über das Medium Internet agiert, würde weniger im Auftrag  einer bestimmten Institution handeln (selbst wenn er dort angestellt ist), sondern würde statt der Mikroperspektive der eigenen Institution eine gesellschaftliche Makroperspektive einnehmen.  Er würde die Relevanz ebenso wie die Akzeptanz von Kunst und Kultur für verschiedene gesellschaftliche Gruppen betrachten und wäre bereit, diese immer neu zu verhandeln.  Es geht ihm darum, über Kunst und ihre Bedeutung für verschiedene Menschen und Gruppen zu verhandeln und nicht darum, eine Kunstinstitution und ihre Produkte zu behaupten und zu verkaufen. Christian, Du hast in verschiedenen Artikeln darauf hingewiesen, dass Kulturschaffende im Netz nur erfolgreich sein können, wenn sie bereit sind, für die Nutzer spannende Inhalte zur Diskussion zu stellen statt Werbung für eine Institution zu posten.

Für mich die interessante Frage ist,  ob mit dem Internet Kunst und Kultur einen höheren Stellenwert für alle Gruppen der Gesellschaft erhalten, wenn die traditionellen Gatekeeper und institutionellen Barrieren wegfallen? Erweiterte sich damit der Kulturbegriff in der Gesellschaft (der in Deutschland immer noch sehr konservativ an der Hochkultur ausgerichtet ist, die gleichzeitig im Leben von 90% der Bevölkerung keinerlei Bedeutung hat)? Ist das Netz der Raum von „Kultur für alle und von allen“? Wie gestaltet sich diese konkret, welche Art von eigener Kultur wird geschaffen, wie finden kulturelle Bildungsprozesse dort statt?

Und: wird die Macht des Internets möglicherweise dazu beitragen, dass auch außerhalb des Netzes neue, andere Live-Kulturprojekte und –orte entstehen und traditionelle Institutionen eingehen werden?

Bin gespannt auf Eure Ideen dazu!

Herzliche Grüße,

Birgit Mandel

Eine Frage an unsere Leser!

Liebe Leser,

zuerst möchten Birgit und ich erwähnen, dass wir uns sehr über die vielen Leser und Kommentare auf unserem noch jungen Blog freuen. Wir haben damit nicht gerechnet. In den letzten Tagen haben wir uns ein paar Gedanken zum Aufbau des Blogs gemacht. Wir haben die Befürchtung, dass wir letztlich auf Basis der zwei vorhandenen Artikel mit Kommentaren diskutieren werden. Das ist grundsätzlich natürlich so gedacht. Es kann aber bedeuten, dass wir keine neuen Artikel schreiben, da wir ja immer auf den Gedanken des anderen reagieren. Deshalb haben wir uns überlegt, ob es sinnvoll wäre, wenn zumindest Birgit und ich unsere Gedanken immer als neuen Artikel posten? Was denkt Ihr darüber? Würde dies die Diskussion vereinfachen oder erschweren?

Wir freuen uns auf Eure Meinungen!!

Beste Grüße

Birgit und Christoph

Gedanken zur Funktion und Nutzung von Kulturvermittlung im Web 2.0

Liebe Leser,

auch ich möchte Euch alle auf diesem Blog willkommen heißen und ich hoffe, dass wir auf dieser Plattform gemeinsam über das Thema Kulturvermittlung diskutieren werden. Vor allem würde ich mich freuen, wenn wir sehr viele Menschen erreichen können, die nicht Kulturvermittler sondern Kunden bzw. Nutzer sind.

Mit diesem Beitrag möchte ich ein paar erste Gedanken zum Thema Kulturvermittlung im Web 2.0 aufschreiben. Dabei geht es mir weniger um Vollständigkeit bezüglich aller relevanten Themen, als vielmehr darum, einen Startpunkt zu setzen, von dem ich in der Zukunft aus argumentieren kann. Einiges von den folgenden Gedanken wird für „Web 2.0-Profis“ nichts Neues sein. Ich denke aber, dass wir eine Diskussion führen sollten, die jeden Interessierten mit nimmt – ohne ihn zu zwingen, sich zuerst Spezialwissen anzueignen. Ansonsten kann das passieren, was ich in letzter Zeit auch auf vielen Konferenzen beobachten konnte: Eine immer gleiche Gruppe von Menschen redet über vergleichbare Themen und vergisst dabei diejenigen, die mit der Arbeit im Web 2.0 erst starten…

Gedanken zur Funktion und Nutzung von Kulturvermittlung im Web 2.0

Wenn man Teil des Netzwerkes Facebook ist, kann man in den Profileinstellungen den aktuellen Beziehungstatus eingeben. Neben den klassischen Einstellungen wie „Single“ oder „In einer Beziehung“ kann man auch „Es ist kompliziert“ eingeben. Warum man dies kann bzw. was man damit erreichen will weiß ich nicht. Ich denke aber, dass mit „es ist kompliziert“ auch die Beziehung der Kulturvermittlung zum Web 2.0 beschrieben werden kann – warum ist das so?

Was bedeutet Web 2.0?
Sicherlich ist es keine neue Erkenntnis, wenn man behauptet, dass das Internet in zunehmendem Maße unsere Gesellschaft verändert. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob wir bezüglich des Web 2.0 den Begriff Gesellschaft nutzen sollten. Sehr oft wird der Fehler gemacht, das Internet oder das Web 2.0 als Technologie zu diskutieren. Und natürlich haben wir es online mit Technologien zu tun. Wenn man aber nun über das Internet als Technologie diskutiert, vergisst man den wesentlichen Aspekt: die Menschen bzw. die User. Das Web 2.0 ist vergleichbar mit einem Fußballstadion. Der Ort an sich, das Gebäude, der Rasen etc., dies alles ist letztlich bedeutungslos. Was das Fußballstadion so interessant macht sind die Menschen, die in ihm Fußball erleben, also die Mannschaften, Betreuer, Trainer, Zuschauer, Sicherheitskräfte, Würstchenverkäufer etc. Sie alle erfüllen das Stadion mit Leben. Und selbst wenn Sie ein Fußballstadion an einem Tag besuchen, an dem es kein Spiel gibt – sie verbinden es immer mit dem Spiel und den Menschen.

Mit dem modernen Internet verhält es sich meiner Meinung nach genauso. Das Internet an sich, die Plattformen haben nur deshalb eine Bedeutung, weil sie von Millionen von Menschen genutzt werden. Und diese Menschen nutzen das Internet auf unterschiedliche Art und Weise. Ich kann über das Internet wissenschaftliche Informationen austauschen oder mich zum Kaffee verabreden. Ich kann über eine vermeindlich wichtige Begebenheit schreiben oder über die Tatsache, dass ich gerade einen Döner esse. Alle diese Inhalte haben grundsätzlich die gleiche Bedeutung und die gleiche Wertigkeit. Ich als User entscheide, welche Information für mich bedeutender ist. Das bedeutet für die Kulturvermittlung, dass sie sich als Teil dieses Gesamtsystems verstehen bzw. ein Teil davon werden muss. Sie hat im Web 2.0 per definitionem keine Sonderstellung – so wie auch Kulturinstitutionen keine Sonderstellung im Netz haben. Sie können bedeutend werden – dies aber nur durch ihre Aktivitäten und Inhalte. Sie beginnen quasi bei 0.

Technologie vs. Kultur
Wenn es also nicht um Technologie geht, um was geht es dann? Ich habe in meinem Kommentar zu Birgits erstem Beitrag bereits geschrieben, dass das Entscheidende die Kultur hinter der Technologie ist. Das Web 2.0 ist m.E. eine eigene Kulturform geworden und diese Kultur basiert auf Kooperation, Offenheit, Transparenz, Interaktion, Teilen etc. Kulturvermittlung im Web 2.0 kann nur funktionieren, wenn sie diese Regeln beherzigt. Und dies hat tiefgreifende Konsequenzen. Es bedeutet z.B. dass sich Kulturvermittler überlegen müssen ob ihre Strukturen und Arbeitsweisen mit dem Web 2.0 kompatibel sind. Ich kann nicht im Internet versuchen, offen, kooperativ und transparent zu sein, wenn meine eigene Denk-, Organisations- und Arbeitsstruktur dies nicht zulässt bzw. ich es nicht selber will.

Kommunikation 1.0 vs. Kommunikation 2.0
Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Veränderung der Kommunikation im Web 2.0. Alle bisher bekannten Medienformen ja sogar sehr viele Formen in der realen Welt basieren auf dem klassischen Modell des Senders und Empfängers. Der eine sendet eine Information und der andere empfängt sie. Auch dies verändert sich im Web 2.0, denn der Sender wird zum Empfänger und umgekehrt. Für die Kulturvermittlung bedeutet dies, dass sie also nicht mehr nur vermittelt sondern auch lernt und zuhört. Kulturvermittlung im Web 2.0 bedeutet weniger Vermittlung als vielmehr Dialog auf Augenhöhe. Dies bedeutet letztlich, dass die Deutungshoheit über Werke und Inhalte in Frage gestellt wird. Auch die immer noch vorhandene willkürliche Trennung zwischen der sog. Hoch- und der sog. Trivialkultur ist im Web 2.0 nicht mehr haltbar. Es sollte also überlegt werden, diese Trennung auch in der realen Welt abzuschaffen. Grundsätzlich sollte aber klar sein: Das Web 2.0 ist nicht kulturlos. Es ist also nicht so, dass Kulturvermittler die Kultur ins Internet bringen.

Die Black-Box Kulturvermittlung?
Bei allen Diskussionen über Kulturvermittlung erscheint es mir sinnvoll genauer zu beschreiben, wer mit dem Begriff Kulturvermittler wirklich gemeint ist? Meinen wir damit nur den professionellen Kulturvermittler? Dies wäre m.E. gefährlich. Dass Internet ist wie schon gesagt nicht kulturlos und „es lebt“ Kultur ja Kulturen ganz gut ohne professionelle Kulturvermittler. Genauer gesagt existiert das Internet bis jetzt sogar sehr gut ohne Kulturinstitutionen. Deshalb glaube ich, dass man sich genauer die Mechanismen anschauen muss, die zur Verbreitung von Kultur im Web 2.0 beitragen. Wie in der realen Welt auch sind es meiner Meinung nach vor allem die Menschen die Kulturvermittlung betreiben. Die Eltern die ihre Kinder mit ins Museum nehmen, die Jugendlichen die gemeinsam zu einem Konzert gehen oder ins Kino gehen usw. Es gibt also einen sehr großen Bereich an nicht-institutionellen Kulturvermittlern. Ich kann mir vorstellen, dass diese Gruppe vor allem im Web 2.0 an Bedeutung gewonnen hat. Trotzdem ist sie eine Black Box. Wir wissen aus Sicht der Kulturvermittlung zu wenig darüber, haben aber den Vorteil, dass wir diese Mechanismen sehr gut im Web 2.0 beobachten können. Diese „unbekannten“ Kulturvermittler sind letztlich unsere Partner. Sie können zu einer Schnittstelle werden – dafür müssen wir sie aber verstehen und ernstnehmen.

Ich denke es wird notwendig sein, ein paar Begriffsdefinitionen zu schärfen. Wir werden zudem immer wieder versuchen müssen, unsere Theorien mit der Realität abzugleichen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir eine virtuelle Theoriewelt erzeugen, die im Gegensatz zu Computerspielen und Onlinecommunitys nicht betreten werden kann. Vielleicht sollten wir uns von zwei Polen aufeinander zu bewegen. Der eine Pol wäre die Theorie und vor allem die Geschichte und damit verbunden die Realität der Kulturvermittlung und der andere Pol wäre das gelebte Web 2.0, die gelebte Welt der Computerspiele und die Menschen die damit arbeiten und leben.

Abschließend möchte ich anmerken, dass ich mich sehr freue, dass wir einen Blog als Plattform gewählt haben. Meiner Meinung macht es keinen Sinn, über das Thema Web 2.0 zu reden, ohne es auch zu leben. Erst die Menschen die Teil des Web 2.0 geworden sind können verstehen um was es geht und dann entscheiden, ob dies für sie – sei es beruflich oder privat – sinnvoll ist oder nicht.

Ich freue mich auf spannende Diskussionen

Christoph Deeg

Funktionen von Kulturvermittlung im Web 2.0

Willkommen, liebe Kulturvermittler und Kulturschaffende und vielleicht auch Kulturnutzer,

gemeinsam mit Christoph Deeg diskutiere ich seit einiger Zeit über die Veränderungen, die sich durch das Web 2.0 und die Computergames für die Vermittlung von Kunst und Kultur ergeben. Diese Diskussionen möchten wir nun auch öffentlich machen, um noch mehr unterschiedliche Perspektiven auf das Thema zu gewinnen. Als Start ein paar Überlegungen von mir zur Kulturvermittlung generell und möglichen Konsequenzen durch die digitalen Medien. Diese Überlegungen habe ich ausführlich als Printversion auch in den Kulturpolitischen Mitteilungen von Dezember 2010 (Heft 131, IV 2010) veröffentlicht. Das Heft hat das Schwerpunktthema „Netz.Macht.Kultur“ und ist zugleich Vorbereitung für den Bundeskongress der Kulturpolitischen Gesellschaft zum gleichen Thema im Juni 2011. Norbert Sievers, der den Kongress vorbereitet, fragt in seiner Einführung zum Thema in diesem Heft: „Stehen wir an der Schwelle einer neuen digitalen Teilhabekultur, die der Amateurkultur neue Perspektiven eröffnet und die Grenzen zwischen E – und U-Kultur endgültig einreißt“ (Sievers, S. 44) Um dann jedoch kritisch zu fragen: „Wie viel Öffnung und Partizipation verträgt die Produktion und Rezeption der Kunst?“ (Sievers S. 45)

Ist das Internet eine neue Chance, die Ideen einer Kultur für alle und von allen endlich zu realisieren? Vermitteln sich Kunst und Kultur dort von selbst? Welche Bedeutung haben dann noch professionelle Kulturvermittler?

Sind die Schwellenängste vieler gegenüber der Nutzung kultureller Angebote im hierarchiefreien Raum des Internets aufgehoben? Kann man im Netz Menschen für Kunst und Kultur interessieren unabhängig von ihrem Herkunftsmilieu und ihrem Bildungsgrad?

Birgit Mandel: Kulturvermittlung im digitalen Zeitalter

Jahrzehntelang arbeiteten Kulturvermittler an der Mission, mehr Menschen mit Live-Kunstaufführungen, mit der Aura des Originals in Berührung zu bringen, mehr Menschen zu eigener sinnlicher Auseinandersetzung mit Kunst und künstlerischer Gestaltung zu animieren. Welche Ziele und welche Bedeutung kann die Kulturvermittlung im Zeitalter des Internets noch haben, wenn ein Großteil der Lebenszeit sich in virtuellen Räumen abspielt, die kaum mehr zu überschauen, geschweige denn zu steuern sind? Verlagert sie ihre Aktivitäten nun auch in diese Räume, spielt sie dort mit? Oder versucht sie, Menschen von den virtuellen Welten aus von der Attraktivität realer Kunst-Welten zu überzeugen?

Generelle Ziele von Kulturvermittlung

Kulturvermittlung hat ganz allgemein die Funktion, zwischen kultureller Produktion und Rezeption zu moderieren und zu eigener künstlerischer und kultureller Tätigkeit von Laien zu animieren.

Die Ziele der Kulturvermittlung sind – so hier die These – weitgehend unabhängig vom Medium, dem sie sich bedient.

Kulturvermittlung kann unterschiedliche Ziele fokussieren:

·     Marketingziele: Aufmerksamkeit für Kunst und Kultur schaffen, Imagegewinn, mehr Besucher generieren und mehr Einnahmen erzielen;

·     kunstorientierte Ziele: Kunst und kulturellem Erbe bestmöglich zur Geltung verhelfen;

·     bildungsorientierte Ziele: das Bildungspotential von Kunst und Kultur entfalten, um kulturelle Bildung als eine Schlüsselqualifikation bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu erhöhen;

·     kulturpolitische Ziele: Zugänge zu Kunst und öffentlichem kulturellem Leben für alle gesellschaftlichen Gruppen herstellen;

·     gesellschaftspolitische Ziele: Demokratische Prozesse befördern durch mündige Bürger, die über eine breite Palette von Ausdrucksmöglichkeiten verfügen, innovativ denken und handeln können und sich an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens beteiligen; durch interkulturelle Prozesse das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkünfte fördern.

Auftrittsformen, Ziele und Potentiale von Kulturvermittlung im Internet:

Wo tritt Kulturvermittlung derzeit im Internet bereits auf und mit welchen Zielen? Welche neuen Potentiale werden für die Kulturvermittlung sichtbar?

1. Vermittlung der Programme von Kulturinstitutionen im Sinne von Aufmerksamkeits-Management durch Internet-Marketing und -PR auf eigener Website, in Blogs und in sozialen Netzwerken

2. Vermittlung in Form der virtuellen Präsentation von real existierenden Kulturangeboten traditioneller Kulturinstitutionen im Netz

3. Vermittlung von allgemeinen Informationen über Kunst und Kultur durch unabhängige Foren

4. Interaktive Kulturvermittlung im Web 2.0 durch Computer Games und Virtuelle Welten

5. Kulturelle Selbstbildung der User im Netz unabhängig von Kulturvermittlung

Mögliche Funktionen professioneller Kulturvermittler im Netz:

Kulturvermittler sind dort weniger Kunstvermittler im direkten Sinne, sondern eher Informationsagenten, die Wissen über Kunst und Kultur im Netz  übersichtlich aufbereiten.

Kulturvermittler sind Entwickler von Spielen und neuen Formaten der Vermittlung, die ebenso unterhaltsame wie kulturell bildende Erfahrungen und Erkenntnisse ermöglichen.

Kulturvermittler sind Schnittstellenmanager zwischen virtueller und realer Welt und zeigen gemeinsame Interessen auf. Kulturvermittler machen Lust auf Auseinandersetzungen mit Kunst und Kultur im realen Raum.

Kulturvermittler lernen von den Usern im Netz über deren ästhetische Ausdrucksformen und kulturelle Interessen und bringen diese in die Welt der Kunst- und Kulturinstitutionen ein.

Beste Grüße

 

Birgit Mandel